Soziale Nachtwirtschaft

[pulledquote]Sie haben vieles gemeinsam: Für ihre Gäste besitzen sie nur einen Vornamen,  sie führen kaum ein Privatleben und sie prägen die Osnabrücker Kneipenlandschaft. Acht Wirte in ihren Mikrokosmen.[/pulledquote]

Sebastian Werkmeister, aka Basti, Unikeller
Bastian Werkmeister

Typisch Basti: Pizza ist fertig!

»Der Typ mit den langen Haaren«.

Wenn man Deine Stammgäste fragen würde, was ist „typisch Basti“, was würden sie sagen? Schwarze Klamotten, ein biss­chen hibbelig, trinkt nur Landbier und verträgt nicht mehr als drei.

Das größte Opfer, das Du für den Unikeller gemacht hast? Meine damalige Freundin und ich konnten uns acht Wochen nicht sehen, obwohl sie neben mir wohnte. Dann war Schluss. Ziemlich übel.

Dein letzter Urlaub? War 2006. Letztes Jahr habe ich es mal versucht, aber dann ist Personal ausgefallen.

Deine Arbeitszeiten? Tagsüber zwei bis drei Stunden und dann eben abends. Natürlich sieben Tage die Woche.

Dein Arbeitsritual? Wenn wir die Küche schließen, trinke ich vorm Aufräumen ein Bier mit dem Unikeller-Stammtisch an Tisch 1. Nach Feierabend gehe ich eine Runde kickern.

Deine Thekenphilosophie? Mich wundert gar nichts mehr.

Bist Du beim Personal eher Kumpeltyp oder Respektsperson? Ersteres. Es gibt bis zu zwei Leute, die mich ernst nehmen.

Pascal Rupp, Grüner Jäger
Pascal Rupp

Typisch Andreas: verschollene Musikschätze bergen!

»In der Kneipe groß geworden«

Nicht zu früh und nicht zu spät. Pascal ist immer pünktlich. Schon seit 26 Jahren, als er mit 15 im Grünen Jäger bei seinem Vater als Spüler anfing. Nach Hause kommt er zwar nicht genauso pünktlich, dafür aber immer nüchtern. „Mein Vater war mein Vorbild. Er hat auch nie getrunken. Ich bin ein Kneipenkind. Vielleicht ist Bier deshalb kein Mysterium für mich, sondern einfach eine Ware“, erklärt Pascal, der Kaffee zu seinen bevorzugten Arbeitsgetränken zählt und quasi im Grünen Jäger aufgewachsen ist. Als Gastronom hat man beziehungsunfreundliche Arbeitszeiten. „Während meiner besten Jahre habe ich jedes Wochenende gearbeitet.“ Seine Nummer Eins hat Pascal trotzdem gefunden. Vor zwei Jahren – aber nicht im Grünen Jäger. Seit wenigen Wochen ist er mit Teresa verlobt. Zusammen gönnen sie sich gelegentliche Kurztrips, einen längeren Urlaub gab’s für den Gastronomen seit einer Ewigkeit nicht mehr.

Andreas Haasler, Zwiebel
Andreas Haasler

Typisch Andreas: verschollene Musikschätze bergen!

»Trinkt 20 Tassen Kaffee am Tag«

Wenn Andreas nachmittags die Zwiebel betritt, steuert er direkt auf die Kaffeemaschine zu. „Zuhause hab ich gar keine, ich trink nur hier Kaffee.“ Davon reichlich. Bis zu 20 Tassen am Tag bzw. in der Nacht. Seit 1979 arbeitet er schon in der Altstadtkneipe und ist seit 16 Jahren Chef. „Das ist hier mein Wohnzimmer, man könnte mich hier im Dunkeln reinstellen und ich finde mich zurecht.“ In ein Wohnzimmer gehört natürlich auch eine Musikanlage. Aktuell läuft „Die Internationale“ von Hannes Wader. 17.000 Songs hat der Wirt von seiner riesigen CD-Sammlung auf seine Jukebox gezogen – und das ist noch nicht mal die Hälfte. „Mir ist Musik ganz wichtig. Ich liebe Rock ’n‘ Roll, Doowop und Country und spiele hier Sachen, die man woanders nicht hört.“ Stolz berichtet er von Smartphone Apps, die seine Lieder nicht erkennen können. „Find ich total klasse.“

Maria Meinert, Schmales Handtuch
Maria Meinert

Typisch Maria: seit 24 Jahre zapfen im Schmalen Handtuch!

»Das Altstadt-Urgestein«

Man sieht Maria ihr wahres Alter (57!) einfach nicht an und das, obwohl sie heute (Buß- und Bettag) seit genau 24 Jahren im Schmalen Handtuch hinterm Tresen steht und auf eine noch viel längere Gastro-Karriere zurückblicken kann. Ihr Geheimnis: „Ich geh oft raus, wandere und walke gerne.“ Außerdem greift sie seit 10 Jahren nicht mehr zum Glimmstängel, trinkt keinen Alkohol im Dienst, zählt Geduld nicht zu ihren Stärken und ist ein konsequenter Mensch. „Wenn hier Leute reinwollen, die beispielsweise zu alkoholisiert sind, dann Sieze ich sie und gebe Ihnen zu verstehen, dass sie hier leider nichts bekommen.“ Bevor sie ihre Kneipe öffnet, isst sie eine Stulle, trinkt einen Tee. Ihr Weg zur Arbeit beschränkt sich übrigens auf einmal Treppe runter. Seit 18 Jahren gehört ihr das Haus, in dem sie mit ihrem Lebensgefährten lebt. Da der tagsüber als Gartenlandschaftsbauer arbeitet, bleibt wenig gemeinsame Zeit, die sie auch für ihre mittlerweile erwachsenen Söhne kaum hatte. Kneipe geht vor. „Es geht nur ganz oder gar nicht. Es geht nicht halb.“

Bernd Wagner, Sonnendeck
Bernd Wagner

Typisch Bernd: Gearbeitet wird tagsüber!

»Der Incognito-Chef«

Als treuer Sonnendeck-Besucher könnte man meinen, der Chef sei der etwas ältere Mann an der Kasse. Detlev heißt er. „Als ich einmal abends privat hier war, hat mich ein Mädel angesprochen. Sie war ganz stolz, erzählte mir, dass sie den Besitzer kenne. Dann hat sie mich zu Detlev geführt. Der hat das Spiel mitgespielt, ich habe gefragt, ob er geduzt oder gesiezt werden möchte“, schmunzelt Bernd Wagner, eigentlicher Chef des Hauses. Seit drei Jahren ist er nur noch tagsüber im Sonnendeck anzutreffen. Von 10 bis 18 Uhr macht er zusammen mit Veranstaltungskauffrau Kathi die administrativen Arbeiten. „Abends läuft der Laden ohne mich. Wir haben ein ganz tolles Team. Die haben eine ganz andere Lobby bei den Gästen.“ Wenn er sich selbst ins Nachtleben stürzt, dann geht er gern und gut essen. „Und danach in kommunikative Läden. Ins Heimlich oder Schmale Handtuch beispielsweise. Abgefeiert wird im Mondflug.“

Falk Schlukat, Grand Hotel
Falk Schlukat

Typisch Falk: Donnerstags wird aufgelegt!

»Der Mann hinterm DJ-Pult«

Wo sieht man Dich, wenn Du hier bist? Es ist mittlerweile ein Ritual, dass ich donnerstags auflege. Sonst steh ich am Kicker und tagsüber mit Unterlagen am Tisch.

Das Grand Hotel ist nicht dein einziges gastronomisches Standbein. Warum ist es Dein liebstes? Wir haben uns hier einen Ort geschaffen mit Dingen, die wir selber mögen: Fußball, Tatort, Bingo, Jazz … Es ist eine Stadtteilbar und ich mag die Wüste. Bin jetzt auch wieder her gezogen. Jetzt hat mein Sohn endlich ein eigenes Zimmer.

Ist das hier „Dein Reich“? Nein, man begreift schnell, dass ein Laden von den Gästen lebt und dem Personal. Die gute Seele des Hauses ist Svenja.

Eine prägende Situation? Das Hochwasser im letzten Jahr hat unseren Keller überflutet. Der Strom fiel aus, alle wollten helfen, haben Kerzen angezündet, ihre Getränke ertastet und die Stimmung wurde immer besser.

Laden von den Gästen lebt und dem Personal. Die gute Seele des Hauses ist Svenja. Eine prägende Situation? Das Hochwasser im letzten Jahr hat unseren Keller überflutet. Der Strom fiel aus, alle wollten helfen, haben Kerzen angezündet, ihre Getränke ertastet und die Stimmung wurde immer besser.

Drei Platten, die Dich ans Grand Hotel erinnern? „Wincing The Night Away“ von den Shins und „Return To Cookie Mountain“ von TV on the Radio liefen hier früher immer, als noch nicht jeden Abend ein DJ auflegte. Zurzeit spielt jeder DJ hier Metronomy.“

Sara da Silva und Abilio Cardoso, Portobar
Sara da Silva und Abilio Cardoso

Typisch Sara und Abilio: anpacken

»Ein Dreamteam erfüllt sich einen Traum«

Sie kennen sich seit fast 20 Jahren und haben vieles gemeinsam: portugiesische Wurzeln, Abi auf dem zweiten Bildungsweg, sie wohnen sich bald in derselben Straße gegenüber und sind seit vielen Jahren in der Gastro tätig. Genauer gesagt in Thomas Jankowskis (ehemaligen) Läden. Sara im Pferde haben keine Flügel, Abilio im Mondflug. Zusammen erfüllen sie sich nun den Traum von einem eigenen Lokal (s. what’s new). „Irgendwann fragt man sich schon, was man noch aus seinem Leben machen will. Wir sind beide Single, haben wenig Verpflichtungen. Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Die beiden verfügen über eine faszinierende südländische Gelassenheit. Sieben Wochen ließ man sich Zeit, in den Räumen der ehemaligen Alten Fabrik eine völlig neue Location aus dem Boden zu stampfen. Ein Blick in die Zukunft: „Ohne abgehoben klingen zu wollen, wäre es natürlich ein Traum, sich mit einem weitern Laden ein zweites Standbein zu errichten.“

TEXT: JUDITH KANTNER | FOTOS: JUDITH KANTNER

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